Theuerster Freund!

Ich schreibe dir im Bette. Die Grippe
welche ich von meiner Gattin erbte, und die An-
fangs so zahm und leicht auftrat, daß ich sie in mei-
ner Rüstigkeit nicht viel beachtete, ist so groß
verschleppt worden, daß ich sie jezt im Bette aus-
dünsten muß. Zur Verzweiflung bringt mich
die Unterbrechung meiner Arbeit, zur Ver-
zweiflung, daß der Arzt zu uns 4 Personen
(4 wurden ergriffen) schon seit October
geht. Ich bitte dich bei Allem, was an unse-
rer Freundschaft heilig ist, und sie ist ja sonst
so innig gewesen, laß mich in dem Elende
meines Hauses nicht im Stiche. Es wird sich ja
Alles wieder ausgleichen. Du sezest dir und
mir ein Denkmal, und gewiß wird dein Sohn
die Früchte ernten.
Ich küsse dich tausend Mal, ich bin
dein Freund, der gewiß Alles für dich thut.
Küsse die Kleinen.

Linz 22. Jänner 1868

Adalbert Stifter


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